Wie Sara den Prozess aus dem Scheinwerferlicht und der schnelllebigen Modelwelt zurück zu ihren Wurzeln erlebte und sich ihr Leben seither von Grund auf veränderte, durfte ich im Interview mit ihr in Erfahrung bringen.
Liebe Sara. Ich habe dich 2019 auf der Bühne eines Festivals von Laura Seiler erleben dürfen. Du hast gemeinsam mit deiner Schwester Sali eine Stunde Kaffee zubereitet und uns Zuschauer*innen in deine Geschichte eintauchen lassen. Ich erinnere mich heute noch an den feinen Kaffeeduft, aber viel mehr an das Gefühl, was dein Auftritt in mir ausgelöst hat. Ein Gefühl von tiefer Demut gegenüber den Rohstoffen unseres Planeten, aber auch ein „Ja“ immer auf die eigene innere Stimme zu hören, wenn wir einmal unseren Weg bzw. unsere Wurzeln aus den Augen verloren haben. Die Zubereitung hin zum feinen Kaffee war so wertvoll und achtsam. Ich konnte spüren, wie du deinen Weg gefunden hast. Das hat was in mir ausgelöst.
Nun hast du erst vor kurzer Zeit dein Buch „Roots“ veröffentlicht. In diesem Buch erzählst du die Geschichte, wie du nach deiner Model Karriere zurück zu deinen Wurzeln gefunden hast und mittlerweile gemeinsam mit deiner Schwester Sali ein Social Business nuruCoffee und nuruWomen gegründet hast. Was war das Schlüsselerlebnis bzw. der Schlüsselmoment zu dieser Entscheidung?
Dazu muss ich etwas ausholen. Denn ich hatte ja schon mehrere Beweggründe, warum ich mich dazu entschlossen habe, neue Wege zu gehen. Schon in jungen Jahren hatte ich zeitgleich zu meiner Karriere als Model das Glück, als Botschafterin der NGO „Menschen für Menschen“ nach Äthiopien zu reisen. So kam ich das erste Mal in Berührung mit den Wurzeln meiner Eltern. Auf dieser Reise wurde ich nicht nur mit direkter Armut, sondern auch mit meinen Privilegien konfrontiert. Privilegien nicht nur, weil ich Germanys next Topmodel gewonnen habe, sondern vor allem, weil ich das Glück hatte, in Deutschland geboren zu sein. Es war ja eher Zufall und Glück, dass meine Eltern nach Deutschland geflüchtet sind. Wir hätten genauso auch in Äthiopien aufwachsen können, wenn es das Schicksal so gewollt hätte.
Diese Konfrontation hat in mir sehr viel bewegt. Zu wissen, wie gut es mir geht und wie privilegiert ich eigentlich bin. Genau dieses Gefühl habe ich seit diesem Zeitpunkt immer mit mir herumgetragen. Auch der Gedanke, dass ich eigentlich die Chance mit der Arbeit als Model und dieser einhergehenden Bekanntheit besser nutzen sollte, um mehr auf Dinge aufmerksam zu machen, die weniger Gehör bekommen. Zu wissen, dass ich diese Chance eben nicht nutze und stattdessen in einem System bin, was sich mit so viel Oberflächlichkeiten beschäftigt, hat dazu geführt, dass ich überhaupt so einen Ausweg gesucht habe. So einen richtigen Auslöser gab es nicht. Es war ein immer mitschwingendes Gefühl, das über die Jahre und die vielen Reisen nach Äthiopien immer stärker wurde.
Jedoch gab es da ein spezielles Ereignis. Im Rahmen eines Moderationsjobs habe ich einen Eisbecher promoted und dieser Eisbecher hat tatsächlich ca. 1000 Dollar gekostet. In diesem Moment war es für mich sehr klar zu sehen, dass ich an einem Punkt bin, an dem ich wusste, dass ich etwas verändern muss und diesen Job so in dieser Form nicht mehr machen kann und möchte.
Ich kann nicht auf der einen Seite über Äthiopien sprechen sowie die Bedürftigkeit dort und andererseits die Idee unterstützen, dass ein so teurer Eisbecher erstrebenswert sei. Dieser Zwiespalt war so offensichtlich und falsch in meinen Augen, dass ich anders gar nicht mehr konnte, als mich dazu entscheiden, neue Wege zu gehen. Ich musste jedoch erst all diese Erlebnisse und Erfahrungen und auch jene in Äthiopien machen, damit ich überhaupt ein Verständnis dafür bekam, dass die Welt im Scheinwerferlicht so nicht meinen Werten entspricht oder dem, was ich vermitteln möchte.
Wenn wir über "Wurzeln" sprechen, was bedeutet das Wort für dich genau?
Hattest du schon viel früher so ein tiefes Gefühl in dir, dass etwas anderes auf dich wartet, von dem du nur noch nicht wusstest, was es genau ist?
Ich hätte es niemals für möglich gehalten, dass ich jemals so ein Leben lebe und mich selbst so verwirklichen darf. Durch Germanys next Topmodel sind mir so viele Türen geöffnet und Perspektiven ermöglicht worden. Ich komme aus sehr einfachen Verhältnissen - einer klassischen Arbeiterfamilie. Meine Eltern haben uns Kinder - 4 Schwestern - jedoch sehr selbstbewusst erzogen. Uns wurde immer wieder vermittelt, dass das Leben grenzenlos ist und wir alles erreichen können, was wir nur möchten, wenn wir dafür auch arbeiten und uns darum bemühen. Ich wusste daher auch insgeheim schon sehr früh, dass ich meinen Platz im Leben finden werde, aber wo und wie, das war mir nicht bewusst.
Mit diesem Mindset aufgewachsen, glaube ich nicht, dass alles im Leben einfach passiert und Glück einfach kommt. Ich glaube vielmehr, dass Glück eine bewusste Entscheidung ist und man für sein Glück verantwortlich ist und auch beeinflussen kann. So muss man sich eben auch bewusst dazu entscheiden, die Chancen und Möglichkeiten wahrzunehmen, die sich einem ergeben und sich auch dazu entscheiden, den eigenen Weg zu gehen.
Wie war der Prozess für dich bis hin zur Entscheidung, dass du mit Modeln aufhörst?
Die Welt im Scheinwerferlicht ist eine sehr schnelllebige und oft auch oberflächliche. Wenn du dein Leben damals zu jetzt vergleichst, was hat sich verändert?
Bist du der Meinung, dass jede Erfahrung - auch die als Model - dazu notwendig war, deinen Weg zu finden?
Absolut. Ich bin unglaublich dankbar für die Erfahrung, die ich durch das Modeln machen durfte. Ironischerweise habe ich heute wieder richtig Freude an diesem Job. Weil ich teils nur aus dem Koffer lebte, habe ich mich nach nichts mehr gesehnt, als nach einem 9 to 5 Job und zu wissen, wann ich ins Büro muss und wann der Arbeitstag zu Ende ist. Man glorifiziert immer das, was man nicht hat. Und jetzt schätze ich es auch wieder zwischendurch am Set zu sein. Meine Ansichten zum Job haben sich über die Zeit hinweg gewandelt. Ich bin nicht mehr der Ansicht, dass mich dieser Job definiert. Ich bin nicht mehr nur das Model oder in Abhängigkeit zu Menschen, welche mich und meine Arbeit bewerten müssen. Das alles hat mir diesem Job gegenüber mehr Leichtigkeit und Offenheit geschenkt. Ohne diese Plattformen hätten wir nicht diese finanziellen Möglichkeiten erhalten, nuruCoffee und nuruWomen so aufzubauen. Dafür bin ich sehr dankbar. Aufgrund der Modeljobs, die ich auch heute noch durchführe, können wir nuruCoffee und nuruWomen selbst finanzieren. Der größte Etrag geht nach Äthiopien.
Fühlst du dich in dir angekommen?
Ich fühle mich mittlerweile sehr in meiner Mitte angekommen. Rückblickend und nach 11 Jahren bin ich jetzt in der glücklichsten, schönsten und erfülltesten Situation, die ich mir so niemals erträumt hätte. Auch in der Zusammenarbeit mit meiner Schwester und dass unsere Idee nun auch Hand und Fuß hat. Wir an einem Punkt angekommen sind, dass die Menschen unser Unternehmen auch ernst nehmen, wo sie uns am Anfang noch ein klein wenig belächelt haben. Das ist ein sehr sehr schönes Gefühl und macht einen wirklich stolz.
Hatten Sali und du schon immer solch eine tiefe Verbindung und wie ist es zur gemeinsamen Gründung gekommen?
In der Transformationsphase, wo ich mich vom Modeln getrennt habe und meine Schwester Sali mir den Spiegel vorgehalten hat, während wir zusammen in Berlin in einer WG wohnten, sind wir auch enge Freundinnen geworden. Mit all meinen Geschwistern sind wir sehr eng, aber mit Sali ist es etwas Besonderes. Es macht viel aus, wenn man mit seiner Familie zusammenarbeitet. Diese bedingungslose Liebe schwingt immer mit. Für uns gibt es jedoch einen besonderen Grundsatz: An erster Stelle sind wir immer Schwestern und dann erst Geschäftspartnerinnen. Was uns auch zu Gute kommt, denn wir handeln in jeder Hinsicht im Interesse des Gegenübers und im „Wir“. Wir fragen uns immer, was gut für uns und das Unternehmen ist und nicht für die eigene Bereicherung. Wir verstehen uns da blind, teilen die gleichen Werte und Vorstellungen. Auch sind wir beide sehr unterschiedlich, was uns einfach super ergänzt.
Was ist der Zweck von nuruCoffee und nuruWoman?
Wir wollen mit nuruCoffee den Kaffeehandel in Äthiopien positiv beeinflussen und ein Bewusstsein für nachhaltigen Konsum schaffen. Gleichzeitig unterstützen wir Frauen vor Ort, sich eine selbstbestimmte Existenz aufzubauen, denn es sind immer noch Frauen, die in der Wertschöpfungskette am meisten benachteiligt werden. (Quelle: saranuru.com)
Viele Menschen - auch gerade in der gegenwärtigen Zeit - fühlen sich häufig rastlos oder entwurzelt. Was möchtest du diesen Menschen gerne zum Abschluss dieses Interviews mit auf den Weg geben.
Sara in 3 Worten:
Wissenshungrig, unvoreingenommen und im Moment.
Saras Lieblingszitat:
Ein Zitat meiner Mutter:
„Schaue nie auf die, die mehr haben als du, sondern auf die, die viel weniger haben und sei dankbar für all das, was du hast.“
Vielen Dank von Herzen für dieses inspirierende Interview liebe Sara.
Katharina ist Gründerin des Magazins. Sie hat Digital-Design und Interactive Marketing in Berlin und Köln studiert. Seit fast 13 Jahren arbeitet sie als selbständige Fotografin und Marketing Managerin für grosse und kleine internationale Unternehmen. Aufgrund ihrer Passion für Gesundheitsthemen hat sie vor mehreren Jahren zusätzlich eine Ausbildung zur Yogalehrerin absolviert. Das Mindfulness Magazine rundet ihre Passion für diese Themen ab. “Unsere immer komplexer und schneller werdende Welt, stellt sich als Herausforderung für Mensch und Umwelt dar. Mit dem Magazin möchte ich, dass wir inspirieren und einen Beitrag leisten für ein einfacheres Leben.”