Anna macht Kaffee

Wir fangen schon früh an, uns den Kopf zu zerbrechen, was wir wohl mal werden wollen und landen dann doch eher bei dem, was wir wohl mal werden sollten. Um ins Muster zu passen, um genug Geld nach Hause zu bringen, um angesehen zu sein. Was ist schon aus jemandem geworden, der jeden Tag für andere Menschen Kaffee macht, viel zu viel arbeitet und dafür auch noch schlecht bezahlt wird? Mein Leben fühlt sich rückblickend wie ein Kampf um Anerkennung an. Ich habe mich immer mit dem Blick von außen betrachtet und es war so wichtig, etwas zu erreichen.

Anna macht Kaffee
Foto: Stephan Strache

Vor zehn Jahren habe ich das Kaffee machen für mich entdeckt und diesen Kampf langsam beendet. Die Reaktionen gingen von “Wow, bist du mutig.” bis zu “Wow, bist du dämlich.”. Und so hatte ich zwar meine Leidenschaft gefunden, habe aber immer nach einem Weg gesucht, meine Entscheidung schmackhaft zu machen.

Anna macht Kaffee
Fotos: Stephan Strache

Der Schritt in die Gastronomie hat sich plötzlich nach mir angefühlt

Strukturiertes Arbeiten, Sauberkeit, Schnelligkeit, perfekter Milchschaum, den Laden am Laufen halten und dabei noch kurz schnacken. Immer alles unter Kontrolle. Viele kleine persönliche Zenmomente. Und dazu viele kurze, herzliche Begegnungen. Jeden einzelnen Tag habe ich mich ein bisschen besser kennengelernt.

Ich glaube, es ist schwer zu durchschauen, was mich wirklich catcht. Und mein Blick auf das, was ich tue, verändert sich ständig und kommt somit immer näher an mich selbst.

Es geht weniger um den Koffeinkick, den der Kaffee mir geben könnte, als um das Kaffee machen an sich. Hier bin ich ganz bei mir. Am Liebsten in meinem gewohnten Umfeld. Ganz mit mir selbst. Da sitzt jeder Handgriff. Es ist ein bisschen so, wie ich mir Meditation vorstelle.

Am Drehen der Handmühle am Morgen kann ich ganz gut abschätzen, in welche Richtung meine Stimmung des Tages gehen wird. Manchmal setze ich mich müde hin und mache zwischendurch kleine Pausen. Es gibt einen trocken aufbereiteten Kaffee aus Brasilien im Handfilter. Der riecht beim Aufgießen nach Schokolade und schmeckt schön leicht. Damit setze ich mich auf das Sofa, wickel mich in die Decke und kraule die Katze. Viel mehr passiert erst mal nicht.

An anderen Tagen weiß ich gar nicht, wo ich zuerst anfangen will. Ich betrete die Küche, spüle und wische alle Oberflächen. Danach belohne ich mich mit einem Cappuccino. Am liebsten mit einem Espresso aus Äthiopien, beerig süß, sodass er mit der cremigen Hafermilch verschmilzt. Ich lehne mich an die Arbeitsfläche, genieße meinen Kaffee und schaue mich um. Heute kann ich viel schaffen. Mein Kopf ist voll mit Kreativität.

Aus meinem Beruf ist eine Leidenschaft entstanden

Vor einer Weile habe ich den Entschluss gefasst, etwas anders zu machen. Man hat es in der Gastronomie nicht leicht mit Leidenschaft und Perfektionismus. Es gibt so viel zu geben und doch so wenig zu holen. Es geht selten darum, Werte zu haben. Die rechnen sich nicht. Außerdem bleibt wenig Zeit, wirklich über Werte nachzudenken. Denn für wenig Geld gibt es viel zu arbeiten. Also habe ich den sicheren Job gegen die Selbstständigkeit eingetauscht. Jetzt gibt es mehr zu arbeiten und mit den richtigen Werten erst mal immer noch nicht viel Geld zu verdienen. Aber es ist alles möglich. Ich picke mir die schönsten Dinge raus und mache mein eigenes Ding. Über Kaffee lässt sich schreiben, sprechen und es lassen sich Workshops mit Interessierten füllen. Es geht mir nicht darum, etwas anders zu machen als die anderen. Es geht mir darum, meinen eigenen Weg zu gehen und das zu tun, was mich glücklich macht.

Die Kaffeewelt ist ein toller Ort für mich

In unserer kleinen Blase wirkt es so herrlich aufgeräumt und fair. Ich weiß genau, wo der Kaffee herkommt, den ich trinke. Und das ist fast jeden Tag ein anderer. Ich kenne viele Hände in der Kette und vertraue auf die Werte derer, die ihn hier verarbeiten. Kaffee ist Luxus. Wir wissen das und fühlen uns ganz großartig, während wir ihn uns hin und her schieben. Ändern wir so was? Ich glaube nicht. Aber wir ändern auch nichts, indem wir belehren. Ich will nicht belehren. Ich möchte Menschen mitnehmen, an die Hand nehmen. Luxus ist ok, wenn uns bewusst ist, dass es Luxus ist und wir ihn auch so behandeln. Nachhaltig und bewusst genießen. Damit gehe ich raus.

Und so sind die Menschen und das Geschehen rund um den Kaffee wichtiger als der Kaffee selbst. Mit fast dreißig Menschen habe ich für meinen Kaffeesahne Podcast schon gesprochen und besonders auf Instagram hat sich eine tolle Community entwickelt, die bereichernder nicht sein könnte. Kaffee ist eine Nische, in der ich mich wohler nicht fühlen könnte. Ich bin laut. Das finden manche vielleicht nicht gut. Andere inspiriert es. Bisher fühlt es sich trotz oder wegen der vielen Holprigkeiten gut und wichtig für mich an. Ich habe mich selten so viel getraut, bin deswegen gefallen und stärker wieder aufgestanden.

Über Kaffee lässt sich sprechen. Und es gibt so viel zu entdecken.

 

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