Hören wir noch zu?

„Natürlich!“. Ist oftmals unsere erste, unwillkürliche Reaktion. Wenn wir jedoch genauer darüber nachdenken, ist die Antwort nicht mehr so eindeutig. Zumindest geht es mir so. Auch in der ganzen Rassismus-Thematik, die durch den Tod von George Floyd entfacht wurde, stelle ich mir diese Frage. Durchgebeutelt in der Flut von Neuigkeiten und sofortigen Aktionen wird es zunehmend schwerer, genau hinzuhören. Und am einfachsten ist es, sich abzukapseln oder sofort lautstark mitzurufen.

Hören wir noch zu - Zuhören - Mindfulness Magazine

Die Qualität des Zuhörens macht den Unterschied

Zuhören kann in verschiedenen Dimensionen stattfinden. Wir hören dem Weltgeschehen zu. Wir hören unserer Gesellschaft zu. Wir hören die Erde. Wir hören unseren Nachbarn. Unser Kind. Uns selbst. Doch Zuhören ist nicht gleich Zuhören. Massive Qualitätsunterschiede werden dabei sichtbar. Meistens werden gehörte Informationen von uns gefiltert oder gar nicht erst verarbeitet.

Einen Grossteil der Zeit, die wir mit Zuhören verbringen, sind wir mit unseren Gedanken woanders. Wir haben bereits eine vorgefertigte Meinung oder gehörte Worte sind schon in Vergessenheit geraten. Studien zeigen, dass unsere Leistungsfähigkeit genau hinzuhören, bei 25 % liegt. Dabei ist doch die Art, wie wir zuhören, Grundlage für das, wie wir uns in der Welt bewegen, oder nicht? Wie können wir mit unserer Außenwelt interagieren, wenn wir nicht genau hinhören?

Wir reagieren durch unsere vorgefilterte Brille

Es ist wirklich bemerkenswert, dass die Qualität des Zuhörens das Fundament unseres Handelns bildet. Und dennoch steuern wir dem so wenig Bedeutsamkeit bei. Auch im direkten Austausch mit unseren Mitmenschen wird dies offensichtlich. Nicht selten passiert es, dass wir Dinge preisgeben, die uns beschäftigen und die Reaktion darauf sind Tipps, Tricks und vorgefertigte Meinungen der anderen - ein Statement durch die vorgefilterte Brille meines Gegenübers. Moment mal, hat die Person eigentlich verstanden, worum es mir geht? Dass ich gesehen und gehört werden möchte, ohne gleich die Lösung präsentiert zu bekommen? Vielleicht passt die präsentierte Lösung gar nicht zu meinem Problem.

Ob individuell oder gesellschaftlich - Haben wir das Zuhören verloren?

Auch in Bezug auf die aktuelle Rassismus-Problematik taucht die Frage des Hörens auf. In vielen Teilen der USA und auch international gibt und gab es in den letzten Wochen viele Protestbewegungen - teils friedlich, teils gewaltsam. Wenn ich diese Bilder sehe, überkommt mich ein Gefühl der Hilflosigkeit. Es wird deutlich, dass Rassismus wohl nie alleine der Vergangenheit angehörte, sondern ein sehr präsentes Thema unserer Gesellschaft ist. Können wir da einfach die Augen verschliessen und so tun als hören wir nichts?

Vielleicht lohnt es sich, zunächst innezuhalten und zu beobachten, was genau diese rassistischen Events in Gang setzt. Was lösen diese dramatischen Szenen in uns aus? Ohnmacht? Trauer? Hoffnungslosigkeit? Haben wir uns schon einmal in die Situation derjenigen versetzt, die so verletzt werden? Zu erfahren, wie es ist, abgelehnt zu werden? Dieses Gefühl, nicht dazu zu gehören, kennen wir wahrscheinlich alle.

Es braucht viel Courage, sich der Wahrheit zu stellen. Das scheint für uns Weissen schwierig zu sein. Denn viele von uns haben ein privilegiertes Leben, ein Dach über dem Kopf, sind gut versichert und medizinisch optimal versorgt. Und was ist mit den Menschen, die ständig angefeindet werden? Wie überleben diese solche großen Herausforderungen, wie aktuell den Covid-19?

Überlegt handeln erfordert genaues Hinhören

Handeln ist wichtig. Doch erst, wenn wir uns mit diesen Fragen auseinandergesetzt haben, macht es Sinn ins Handeln zu kommen. Uns die Zeit zu geben und zu überlegen, wie wir ethnische Minderheiten unterstützen können. Zu erkennen, dass wir unseren Fokus lieber auf die Betroffenen legen anstelle auf diejenigen, die kämpfen wollen. Da gibt es einige Möglichkeiten in Aktion zu treten. Doch dies erfordert genaues Hinhören und Hinterfragen der eigenen Intention.

Zuhören ist Kunst

Ja, hohe Kunst sogar. Schnell passiert es und die Filterbrille sitzt auf unserer Nase. Die uns davon abhält genau zu hören, weil wir in unseren eigenen Stories involviert sind. Zugegeben, es bedarf ein bisschen Übung, nicht sofort zu reagieren. Es erfordert ein Innehalten, um die inneren Impulse und Abwehrmechanismen loszulassen. Aber genau dieses Innehalten macht den Qualitätsunterschied. Die uns in eine Offenheit und Präsenz bringt und uns ermöglicht, mit mehr Empathie, Sanftmut und Fokus hinzuhören. Egal ob auf individueller Ebene oder in der Gesellschaft. Wahres Zuhören beginnt bei uns selbst. Durch Beobachten und den direkten Kontakt mit dem, was das Gehörte in uns auslöst. Glücklicherweise gibt es in unserem Alltag immer wieder Gelegenheiten, in denen wir uns in der Kunst des wahren Zuhörens üben dürfen.

 

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